Werbung verändern? Darf man das?

Rechtsstaat und Demokratie bedeuten, dass wenn man wirkmächtig protestiert und damit wichtige Leute stört, denen das mit legal und illegal ruckzuck scheißegal ist und die einem Stress machen, völlig egal, ob man sich immer brav an Gesetze gehalten hat oder nicht. Es erleichtert einem selbstverständlich die Verteidigung, wenn man nichts Verbotenes getan hat. Vor Stress schützen tut es aber nicht (das tut eher das Konzept der Aussageverweigerung).

Scheißegal bei den Behörden

Das Verändern von Werbepostern ärgert die Verunsicherungsbehörden maßlos. Dementsprechend drehen die vom Teller. In Berlin gibt es beim Staatsschutz in der Abteilung LKA 521 extra eine Ermittlungsgruppe, die sich fast nur mit Adbusting beschäftigt. Weil veränderte Werbeposter die Bundeswehr „gar lächerlich“ machen, veranstalte das Team um die Adbusting-Kommissarin Köhnke sogar schon Hausdurchsuchungen und lies DNA-Proben sammeln. Das Terrorabwehrzentrum GETZ beschäftigte sich 2018/19 viermal mit linken Adbustings. Drei davon wurden vom Berliner VS eingebracht, der zur selben Zeit Adbustings der Identitären Bewegung als „unverfängliche Aktion“ bezeichnete.

Auch das Bundesinnenministerium beschrieb 2018 Adbusting als Gefahr für die Demokratie: „Der Grund: „Neben physischen Angriffen auf Polizeikräfte versuchen Linksextremisten gezielt, die Polizeibehörden allgemein in der Öffentlichkeit zu diskreditieren. Dazu bedienen sie sich neben den klassischen Verbreitungsformen wie Printmedien auch der Aktionsform des „Adbustings“ (Bundesverfassungsschutzbericht 2018, S. 127).“

Keine Urteile

Die Strafverfahren versandeten jedoch. Im Oktober 2019 scheiterte ein Gerichtsprozess nach drei Stunden, weil die Cops vom LKA 521 nicht erklären konnten, was an Werbeplakaten wertvoll sei und warum das dann ein „Schwerer Diebstahl“ sei. Und auch sonst führte die Repression eher dazu, dass sich die ehörden lächerlich machten. 2020 gab es jede Menge Adbustings, mit dnen sich Aktivist*innen förmlich um eine Erwähnung im GETZ oder auf einen Platz im VS-Bericht bewarben. Zusammen mit der rotzfrechen Öffentlichkeitsarbeit und vieler parlamentarischer Anfragen, die die Soligruppe plakativ erwirkte, zeigte das Wirkung. Das Bundesinnenministerium strich Adbustings aus dem VS-Bericht (ihnen war aufgefallen, dass das doch nicht gewalttätig ist), im GETZ war Adbusting in 2020 kein Thema mehr, und auch das LKA bekam keine Durchsuchungsbeschlüsse mehr und stoppte auch die DNA-Analysen.

Nicht strafbar, wenn man eigene Poster mitbringt

Im Mai 2020 stellte die Staatsanwaltschaft Berlin dann klar, dass sie leider nichts strafbares erkennen könne, wenn Leute ihre eigenen Poster ohne Beschädigung oder Diebstahl in Werbevitrinen hängen.

Von der Staatsanwaltschaft Erfurt und der Staatsanwaltschaft Hamburg gibt es ähnliche Entscheidungen. Die Cops im bayrischen Erlangen entschieden sich 2021 von vornherein, dass es sich lediglich um eine Ordnungswidrigkeit handeln müsse.

Bei kommerziellen Werbeflächen im Megalight-Format kommt es ebenfalls oft zu Einstellungen wegen Geringfügigkeit. Lediglich beim Verändern von Wahlplakaten kommt es recht häufig zu Urteilen.

Wie ihr mit dem Risiko der Kriminalisierung umgeht, müsst ihr selbst entscheiden. Lasst ihr euch besser nicht erwischen oder organisiert ihr eure Aktion sogar als offene Veranstaltung im Stadtzentrum am lichten Tag mit Pressebegleitung.

Eure Entscheidung.

Juristische Texte zur Frage, ob Adbusting strafbar ist:

Adbusting ist grundrechtlich geschützt. In: Verfassungsblog, 4.6.2020. Gutachten von Prof. Dr. Fischer-Lescano und Andreas Gutmann, Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Zentrum für Europäische Rechtspolitik (ZERP) der Universität Bremen.
https://verfassungsblog.de/adbusting-unbequem-aber-grundrechtlich-geschuetzt/

Dr. Pia Lorenz: Eine Jura­stu­dentin zieht nach Karls­ruhe. In: Legal Tribune Online, 23.10.2020. Hier kommen sagen drei Jura-Profs, dass das mt der Kriminalisierung schwierig wird:
https://www.lto.de/recht/hintergruende/h/hausdurchsuchung-nach-adbusting-jurastudentin-verfassungsbeschwerde-strafbar-diebstahl-sachbeschdigung-urheberrechtsverletzung/

Podcast von Prof. Dr. El-Ghazi und Prof Dr. Zimmermann zum Thema Adbusting:
https://open.spotify.com/episode/0kjKQbxyoN5LBcQem861ED

„AdBusting“ im gesellschaftspolitischen Meinungskampf Aufsatz von Oliver Lampe, Steffen Uphues, NJW 11/2021, S. 730 ff.

Sachstandsbericht des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags: Das „Fälschen“ von Wahlplakaten. Zivilrechtliche Implikationen, 2018.
https://www.bundestag.de/resource/blob/565440/66ccf15ff1883c9a212dd04c726a8a96/WD-7-124-18-pdf-data.pdf

Darf-Schein zum Ausdrucken: