Es hätte die ganz große Bühne für die Bundeswehr werden sollen: Am 12. Juni 2021 war an 16 Militärstandorten quer durch die Republik der „Tag der Bundeswehr“ geplant. Doch die Show des Militärs muss pandemiebedingt ausfallen. Stattdessen hat das Kommunikationsguerillabündnis „tob21.noblogs.org“ im Internet zum 12. Juni den „Tag ohne Bundeswehr“ angekündigt. 11 Städte aus dem ganzen Bundesgebiet werden an diesem Tag unerlaubt veränderte Bundeswehrposter an offiziellen Werbestellen anbringen, um Kritik am Militär zu üben. „Wir fordern, dass jeder Tag ein ‚Tag ohne Bundeswehr‘ werden soll“, sagt Sprecher*in Klaus Theordor zu Schlechtenzwerg: „Deswegen rufen wir bundesweit zu Adbusting-Aktionen auf, die die Bundeswehr lächerlich machen.“
Was ist Adbusting?
Die Bundeswehr muss sich dank des eiligen Abzuges aus Afghanistan bald nicht mehr mit den Taliban rumschlagen. Doch dafür kündigt sich nun eine* neue Gegner*in an der Heimatfront an. Adbusting ist eine Form der Straßenkunst, die Werbung im öffentlichen Raum verfremdet. „Wir haben hunderte Werbeposter im Bundeswehr-Design vorbereitet“ erklärt Klaus Theodor zu Schlechtenzwerg. Diese wirken auf den ersten Blick wie Werbung für das Militär. Auf den zweiten Blick offenbare sich jedoch eine kritische Lesart. „Und diese Adbustings werden wir zur Feier des ‚Tags ohne Bundeswehr‘ am 12. Juni – ohne zu fragen – in einem Dutzend Städte in der ganzen Republik auf Werbeträgern platzieren.“
Mit Kommunikationsguerilla gegen das Militär
Mit der bundesweiten Poster-Aktion ruft das Kommunikatonsguerilla-Bündnis tob21 dazu auf, sich für eine Welt ohne die Bundeswehr einzusetzen und die bestehenden Gewaltverhältnisse, sowie ausgeprägtes mackerhaftes Verhalten und rechte Netzwerke in der Bundeswehr zu kritisieren. Die Aktionen sollen untermauern, dass die vorgeschobene „Sicherheit für alle“ gerade nicht durch Waffen und Gewalt erreicht werden kann. Das Geld, dass in den Wehretat fließt, sei an anderer Stelle deutlich besser eingesetzt, z. B. für die Minderung von Klimafolgen und die Bekämpfung globaler Ungerechtigkeit.
Meinungsäußerung oder Terrorismus?
Das Bündnis hält die geplanten Adbustings sogar für legal: „Wir dokumentieren auf unserem Kampagnenblog einen Beschluss der Staatsanwaltschaft Berlin, der ganz klar sagt, dass es nicht strafbar ist, eine Werbevitrine mit einem Rohrsteckschlüssel aus dem Baumarkt zu öffnen und ein eigenes Poster hineinzuhängen“, erklärt Klaus Theodor zu Schlechtenzwerg. „Deshalb denkt sich der Staatsschutz ständig wirre Dinge aus, um das doch kriminalisieren zu können.“ Terrorismus, Schwerer Diebstahl, Beleidigung und das Lächerlich machen der Bundeswehr und neuerdings Störpropaganda gegen das Militär seien deshalb bereits als Begründungen für Strafverfahren, Hausdurchsuchungen und DNA-Analysen von den Verunsicherungsbehörden aufgetischt worden.
Mit wenig Erfolg. Die Strafverfahren wegen Adbusting versanden regelmäßig, das Bundesinnenministerium strich die Aktionsform aus dem Verfassungsschutzbericht und nahmhafte Jurist*innen kritisierten das Vorgehen: „Adbusting ist grundrechtlich geschützt. […] Es wird Zeit, dass die deutschen Sicherheitsbehörden diesen Grundsatz auch dann beherzigen, wenn es um Adbusting geht, das sich kritisch mit ihren Praxen und Imagekampagnen auseinandersetzt“, sagte Prof. Dr. Fischer-Lescano (Uni Bremen), der zusammen mit Prof. Dr. El-Ghazi (Uni Trier) eine Verfassungsbeschwerde einreichte.
Kritik auf Postern rund ums Kriegsministerium
Einen Vorgeschmack auf den „Tag ohne Bundeswehr 2021“ hat die Gruppe „Außenwerbung kunstvoll kapern (akk)“ bereits geliefert: Mitte Mai 2021 kritisierte sie mit Adbustings rund um das Kriegsministerium und mit einem gefälschten Schreiben des Ministeriums die Bundeswehr. Auf den verbesserten Werbeplakaten stand: „Rumballern statt Retten – statt Geflüchtete im Mittelmeer zu retten rüsten wir auf“ und „Volle Kraft voraus in die Klimakrise! – statt Klimaschutz zu fördern, verdoppeln wir den Wehretat.“ Mit dem Fake-Schreiben rief dann sogar Annegret Kramp-Knarrenbauer dazu auf, Kritik an der Bundeswehr auch im öffentlichen Raum zu veräußern und sich am „Tag ohne Bundeswehr“ zu beteiligen.
Satire oder Störpropaganda?
Das Kriegministerium bekundete gegenüber der Presse, dass man die Aktion für Kunst und Satire halte. Laut Morgenpost und Tagesspiegel sagt eine Sprecher*in: „[Es] handelt sich um eine Kunstaktion, welche man offensichtlich dem Formenkreis der Satire zuordnen kann“. Doch wegen dieser Aktionen ermittelt das LKA. Der Vorwurf: „Störpropaganda gegen die Bundeswehr“ (§ 109d StGB). Das teilte laut Morgenpost und Tagesspiegel die Polizeipressestelle mit. „Offenbar genügten schon ein paar Adbustings und Zettel, um die „Bundeswehr in der Erfüllung ihrer Aufgaben der Landesverteidigung zu behindern“, lacht Klaus Theodor zu Schlechtenzwerg: „Dabei kommt der richtige Knall erst noch, nämlich am ‚Tag ohne Bundeswehr‘!“
Jan-Marco Luczak (CDU): „Völlig unakzeptabel“
Auch der CDU-Bundestagsabgeordnete Jan-Marco Luczak findet Kommunikationsguerilla mit der Bundeswehr wenig lustig, wenn sie eine andere Fiskalpolitik fordert. Auf Facebook schreibt der Mietendeckel-Killer: „Ich finde diese Art von Protest völlig inakzeptabel und unangebracht. Denn hier wird keine öffentliche Kritik geübt oder sich mit einem Thema sachlich auseinandergesetzt. Stattdessen werden unsere Soldatinnen und Soldaten diffamiert und abgewertet – und dies unter dem Schein einer offiziellen Verlautbarung. Der #Staatsschutz hat daher zu Recht Ermittlungen aufgenommen. Ich hoffe, dass die Täter schnell gefunden werden.“
Benjamin Jendro (GdP): „Perfide, menschenverachtend und armselig“
Auch Benjamin Jendro, die Sprecher*in der Gewerkschaft der Polizei (GdP) in Berlin, hat eine Meinung zu Adbusting. Via Twitter ärgert er sich: „Das ist keine Meinungsäußerung, sondern perfide, menschenverachtend und armselig – Kann nicht sein, dass das stärkste Mittel des Rechtsstaats gegen solche Perversion das Kunsturheberrecht ist.“
Schon letztes Jahr fiel der „Tag der Bundeswehr“ aus. Das Militär verschob die Propaganda-Show und beschränkte sich auf einen langweiligen Youtube-Stream. Währenddessen feierten auch an diesem vergangenem „Tag ohne Bundeswehr 2020“ Adbusting-Gruppen aus fünf Städten: In Berlin, Dresden, Freiburg, Hildesheim und Frankfurt hingen veränderte Werbeplakate mit Kritik am Militär.
Mehr Informationen zum Tag ohne Bundeswehr:
https://tob21.noblogs.org
Wie gehen Werbevitrinen auf?
http://maqui.blogsport.eu/2019/01/03/wie-oeffnet-man-werbevitrinen/